Keramik-Orte und Keramik-Kunst in Colditz
Ehemalige Kaolingrube
Die Kaolingrube an der Dresdener/Leisniger Straße
Aus einer Grube am nordöstlichen Ortsrand von Colditz stammte der Rohstoff für das 1708 erstmals experimentell hergestellte europäische Porzellan. Drei sehr ergiebige Kaolingruben in diesem Gebiet versorgten im 19. und 20. Jahrhundert mehrere Colditzer Keramikfirmen mit Rohmaterial, unter anderem das gegenüber gelegene Schamottewerk Eismann & Stockmann, die Steingutwerke Thomsberger & Hermann oder mittels einer Drahtseilbahn über die Mulde hinweg die Steingutfabrik Colditz AG am Furtweg.
Das Kaolin dieser Lagerstätte entstand am Ende der Kreidezeit vor etwa 65 Millionen Jahren. Es bildete sich unter feucht-warmen Klimaverhältnissen durch tiefgründige Verwitterung und chemische Prozesse aus Quarzporphyr. Dieses rötliche Gestein geht auf gigantische vulkanische Aktivitäten zurück, die im Perm vor etwa 290 Millionen Jahren im Gebiet des heutigen Geoparks Porphyrland auftraten.
Künstlerische Umsetzung von Frank Brinkmann
An der Dresdener Straße kommt die Plastik von Frank Brinkmann zur Aufstellung. Der Künstler hat die Verwitterung und Verwandlung der im Felsgestein vorhandenen Feldspate in Kaolinitmineral zum Thema seines plastischen Objektes gemacht. Das Entwurfsmodell zeigt, stark vergrößert, dessen typische Kristallform in Schichtungen. Für die Herstellung der Kristalle im Kunstwerk wird Ton aus der genannten Colditzer Lagerstätte verwendet. Nach dem Brennen ist das Objekt ähnlich steinhart wie der Fels, aus dem das Kaolin entstand.
Eismann & Stockmann
Eismann & Stockmann Colditzer Schamotte- und Dachsteinfabriken GmbH
Das bis zum Zweiten Weltkrieg führende deutsche Spezialwerk für Töpferschamotte wurde 1898 vom ehemaligen Textilkaufmann Paul Eismann und dem einstigen Schmiedemeister Arno Stockmann gegründet. Die gegenüberliegende Tongrube an der Dresdener/Leisniger Straße lieferte das Rohmaterial für die Produktion.
Ab 1924 trug das Unternehmen die Bezeichnung Eismann & Stockmann Colditzer Schamotte- und Dachsteinfabriken GmbH.
Die Fabrik stellte bis 1945 Schamottesteine für industrielle Feuerungsanlagen, Ausbaumaterial für Zimmeröfen, transportable Herde und Backöfen, bis 1941 auch Dachsteine her. Nach dem Krieg, der Enteignung und Überführung in Volkseigentum 1949 hieß der Betrieb VEB Schamottewerk Colditz FEMA.
Ein markantes Gebäude war das Anfang der 1960er Jahre errichtete Generatorhaus, ein hoch aufragender Bau mit vollständig verglasten Fassaden. Zum Werk FEMA gehörte außerdem ein Kulturgebäude aus dem Jahr 1958, das noch heute steht. Es beherbergte in der DDR-Zeit unter anderem einen großen Speise- und Festsaal mit einem sozialistischen Wandbild.
Das Werk produzierte bis zur Schließung 1991. Im Jahr 1996 wurden sämtliche Gebäude und Anlagen abgerissen.
Künstlerische Umsetzung von Andreas Wachter
Andreas Wachter hat die markante Silhouette der ehemaligen Schamottefabrik mit ihren hohen Schornsteinen und dem Generatorhaus als locker modellierte Tonmassen mit bewegten Oberflächen dargestellt. Die Schlote und Gebäude wirken im Modell instabil und vergänglich; hier scheint das spätere Schicksal des Betriebes widergespiegelt.
Die Plastik wird auf einer Grünfläche vor dem FEMA-Kulturhaus am oberen Wettiner Ring stehen, dem ehemaligen Firmenstandort gegenüber, an dessen frühere Nutzung durch gewerbliche Überbauung mit Einkaufsmärkten heute nichts mehr erinnert.
Porzellanwerk
Das VEB Porzellankombinat Colditz
Die Steingutfabrik Colditz AG, Nachfolgerfirma der Steingutfabrikation K. A. Zschau, begann 1908 am Ufer der Mulde ihre Produktion. Sie wurde nach der Enteignung 1949 als VEB Steingutwerke Colditz weitergeführt.
Im Zeitraum von 1953 bis 1958 erfolgte die technische Umstellung von der Steingut- auf die Porzellanproduktion – bei laufender Produktion! – und Umbenennung in VEB Porzellanwerk Colditz. Dem 1969 gebildeten Kombinat mit Sitz in Colditz gehörten Betriebe in Freiberg, Weißwasser, Stadtlengsfeld, Lettin und Annaburg an. Im selben Jahr wurde noch eine Fabrik für Schmelzfarben (heute: Ferro-Magmalor GmbH) errichtet. Etwa 1.800 Beschäftigte fanden um 1970 bis zur Wende in diesem Industriekomplex ihr Auskommen.
Das Haushaltsporzellan, Tafelgeschirr und Hotelporzellan wurde in etwa 30 Länder exportiert. Vielen noch heute bekannt ist das Stapelgeschirr der MITROPA. Auch alle Interhotels der DDR sowie das Neue Gewandhaus Leipzig waren mit Colditzer Geschirr ausgestattet.
Nach wechselnden Eigentümern und Umbenennungen ab 1990 schloss im Jahr 1997 die Porzellanwerke Colditz GmbH für immer ihre Werkstore. Das einst leistungsstärkste und größte Porzellanwerk der DDR wurde im Jahr 2007 abgebrochen und geschreddert.
Künstlerische Umsetzung von Wolfram Boden
Das Modell von Wolfram Boden zeigt, wie geformte Keramikrohlinge klassischerweise vor dem Einsatz in einen Brennofen gestapelt werden. Dafür sind Setzplatten erforderlich, auf die die Gefäße gestellt werden. Um das Ofenvolumen optimal auszunutzen, sind regalartige Ofeneinsätze üblich. Dabei müssen die Setzplatten ebenfalls aus einem keramischen Material sein, um die hohen Temperaturen eines Porzellanbrandes aushalten können.
Die Plastik wird erst 2022 nach der Sanierung der Furtweg-Brücke aufgestellt.
Thomsberger & Hermann
Erste Colditzer Steingutfabrik Thomsberger & Hermann
Der Brennofenfabrikant Samuel Gottlob Thomsberger war zuvor in der Königlich Sächsischen Steingut- und Fayence-Manufaktur Schloss Hubertusburg tätig, bevor er 1804 in der Colditzer Badergasse am muldenufer eine Steingutfabrik gründete. Ab 1814 führte er gemeinsam mit seinem Schwiegersohn Friedrich Wilhelm Ludwig Hermann die Erste Colditzer Steingutfabrik Thomsberger & Hermann. In der Wassergasse gegenüber kam 1819 ein weiteres Gebäude hinzu – eine Tonschlämme zur Aufbereitung des Rohmaterials. Der besondere Weißegrad des Scherbens war fortan ein wichtiges Qualitätsmerkmal des Steinguts von T & H. Der Ton stammte aus firmeneigenen Gruben zwischen Collmen und Zschadraß und in der Dresdener/Leisniger Straße.
Scharfe Konkurrenz bestand zur viel moderner produzierenden Steingutfabrik Colditz AG am Furtweg, welche Thomsberger & Hermann zeitweise zu kaufen versuchte – erfolglos. Dennoch geriet der traditionsreiche, aber technologisch und technisch veraltete Betrieb seit den 1920er Jahren in eine Krise und musste 1954 aufgelöst werden. Auf dem Gelände standen noch bis zum Abriss im Jahr 2002 die leeren Fabrikgebäude.
Die Produktpalette war äußerst vielfältig: Haushalt-/Küchen- und Kaffeegeschirr, Waschgarnituren, Blumenkübel, Nachttöpfe, Seifenbehältnisse, Vorratsdosen und Puddingformen sind nur eine kleine Auswahl. Viele der Dekorationsmuster, z.B. Spritzdekore im Art-Déco-Stil, gestaltete der von 1892 bis 1926 im Unternehmen wirkende Berliner Architekt Johannes Hoppe.
Künstlerische Umsetzung von Christiane Wachter
Christiane Wachters Entwurf eines Kubus steht für die Produktionsstätten der Steingutfabrikation – zweckmäßige, schmucklose, aber dominante Gebäude im Stadtbild. Im fertiggestellten Objekt werden keramische Originalmaterialien in der Oberfläche aufleuchten. Besonders interessiert dabei die Oberflächenwirkung aus Porzellanscherben und Beton im Wechsel. Obwohl es um die Steingutfabrikation geht, müssen in der Plastik Porzellanscherben verwendet werden. Steingut hat im Gegensatz zu Porzellan einen gelblichen, porösen Scherben und würde der Witterung dauerhaft nicht standhalten.
Auf einer Grünfläche zwischen den beiden ehemaligen Betriebsstandorten Badergasse und Wassergasse wird dieses Kunstobjekt künftig zu entdecken sein.
K. A. Zschau / Dessauer Kunsttöpferei
Steingutfabrikation K. A. Zschau
Auf dem Gelände einer alten Ziegelscheune am heutigen Albertplatz gründete der ehemalige Zimmermeister Karl August Zschau 1841 seine Steingutfabrikation K. A. Zschau. Ab 1848 verwendete die Firma Form-Modelle der stillgelegten Fayence-Manufaktur Schloss Hubertusburg in Wermsdorf und stellte Steingut im englischen Stil her, z.B. Gebäckschalen oder Zwiebelmusterteller mit Reliefdekor und durchbrochenen Rändern, aber auch Waschgarnituren. Der sehr erfolgreiche Betrieb beschäftigte um 1900 etwa 95 Menschen.
Um die Steingutproduktion noch zu steigern, gründete sich 1907 unter Einbeziehung des Kapitals von Zschau am selben Standort die Nachfolgefirma Steingutfabrik Colditz AG. Das Unternehmen – von Colditzern „die Aktie“ genannt – zog 1908 an seine neue, mit modernster Technik ausgestattete Produktionsstätte am Furtweg jenseits der Mulde um.
Dessauer Kunsttöpferei GmbH
In den stillgelegten Fabrikanlagen siedelte sich 1909 die aus Dessau stammende Dessauer Kunsttöpferei GmbH an. Etwa 50 Mitarbeiter waren hier beschäftigt. Anfangs wurde noch in handwerklicher Tradition mit Töpferscheiben gearbeitet, später im Gießverfahren. Aus einer firmeneigenen Tongrube in Koltzschen stammte ein Teil des Tons. Das Sortiment umfasste feuerfestes braunes Kochgeschirr der Marke „Feuertrotz“, Gärgefäße zur Wein- und Essigbereitung und Einlegetöpfe.
Die Weltwirtschaftskrise 1932 brachte die Firma in Konkurs; sie wurde 1934 aufgelöst.
Künstlerische Umsetzung von Karl Lobo und Lena Stühmeier
Karl Lobos Modell ist Ergebnis seiner Auseinandersetzung mit dem Ablauf der keramischen Fertigung. Das Thema versteht sich als Reminiszenz an die Dessauer Kunsttöpferei als Teil der Industriegeschichte in Colditz. Die Innenansicht einer Töpferstube greift auf eine Formensprache dieser Produktionsjahrzehnte zurück.
Bei Lena Stühmeiers Entwurf geht es um die Entwicklung eines Signets, welches die freiere Verwendung der keramischen Masse aufzeigen soll. Dafür werden die Pferde, welche in der Tongrube Arbeiten verrichten mussten, als Form widergespiegelt.
An zwei Standorten am Albertplatz werden diese beiden Objekte an die vergangene Colditzer Keramiktradition erinnern.