Granitporphyr für das größte Denkmal Europas
Den besonderen Wert des Beuchaer Granitporphyrs zur Natursteinverwendung erkannte als erste die Firma Günther & Fiedler im Jahre 1884. Zwei bayrische Steinmetze sollten den Stein auf Tauglichkeit für ihr Handwerk prüfen. Dieser erwies sich nicht nur als geeignet für die Bearbeitung in Werkstätten, Sägereien und Schleifereien. Seine Härte, hohe Druckfestigkeit, Wetterbeständigkeit, Wasserundurchlässigkeit und Polierfähigkeit eröffneten neue Chancen in Bau und Architektur. Hinzu kam die Mächtigkeit der Steine im Felsverband.
Umgehend wurden Steinmetze in Beucha angestellt und eine Lehrausbildung begonnen. Die Stadt Leipzig entwickelte in der Blütezeit von Historismus und Jugendstil einen enormen Bedarf an Naturstein. Die prächtigen Bürgerhäuser im Waldstraßenviertel tragen Stufen und Sockelverkleidungen aus Beucha. Granitporphyr wurde verlegt beim Bau des Hauptbahnhofes, der Deutschen Bücherei (heute Deutsche Nationalbibliothek), des damaligen Reichsgerichtes (heute Bundesverwaltungsgericht) und bei der Restaurierung des Alten Rathauses.
1894 beschlossen Leipzigs Stadträte den Bau des Völkerschlachtdenkmals, das in seinen sichtbaren Teilen komplett aus Beuchaer Granitporphyr errichtet wurde. Am 300.000 Tonnen schweren Denkmal wurden 26.500 Steine verbaut, die im Steinbruch „Sorge“ und im Kirchbruch von Beucha gebrochen wurden. 1560 Steinmetze und 450 Arbeiter, u.a. aus Bayern, dem Fichtelgebirge und Italien, wurden für dieses große Projekt eingestellt.
Der erste Weltkrieg brachte die Steinindustrie in Beucha allerdings fast zum Erliegen. Nur noch ein Bruchteil der einstigen Belegschaft stellte zunächst Straßenpflaster her. Erst in den 1930er Jahren waren Werksteine aus Beucha für Brücken und Gebäude wieder gefragt. Der zweite Weltkrieg setzte dem schnell wieder ein Ende.
Im Oktober 1945 wurden die drei großen Beuchaer Natursteinbetriebe durch die sowjetische Militäradministration enteignet und demontiert. Die Betriebe übernahm anschließend der VEB Granitwerke Beucha. Die technische Ausrüstung blieb bis in die sechziger Jahre mangelhaft. Aber Ruf und Können der handwerklich erfahrenen Techniker und Steinmetze sicherten weitere Aufträge: das Denkmal der Begegnung in Torgau, ein Teil des Buchenwalddenkmals und Brücken für die Grachten in Amsterdam. In den 1960er Jahren beförderten Wohnungsneubau einen großen Bedarf. Mehr als 15 000 Quadratmeter Platten aus Granitporphyr wurden allein in der Leipziger Innenstadt verbaut. Von hier kam auch kurz vor der Wende der große Auftrag für den Querbahnsteig des Leipziger Hauptbahnhofes. Erst 1996 stellte der inzwischen modernisierte Betrieb seine Arbeit ein.
Das Dorf der Steine Beucha
Das 3000 Einwohner zählende Dorf Beucha nennt sich zu Recht „Dorf der Steine“. Steinbrüche prägen das Ortsbild; in der Ortsmitte verdoppelt sich im Wasserspiegel des einstigen Kirchbruchs das Bild der Beuchaer Bergkirche. Der schon den Slawen als Kultort dienende Kirchberg sollte Mitte des 19. Jahrhunderts samt mittelalterlicher Kirche für die Steingewinnung abgetragen werden. Doch der damalige Pfarrer Stephani erhob erfolgreich Einspruch. Heute sind Bergkirche und Kirchbruch das Wahrzeichen von Beucha und beliebtestes Fotomotiv.
Durch den Rundbogen des Wasserturms steigt man zur Kirche hinauf. Von hier aus kann man bei schönem Wetter das Völkerschlachtdenkmal sehen und Einblicke in den Steinbruch „Sorge“ erhalten. Es ist der einzige der fünf Beuchaer Steinbrüche, der heute noch genutzt wird. An dem am Ortsausgang Richtung Brandis liegenden ehemaligen „Tollertbruch“ findet sich zur Erinnerung an den Abbau von Granitporphyr eine Lore aus dem Steinbruch, etliche Blöcke Granitporphyr und eine Hinweistafel. Vom Kirchbruch aus findet man in der August-Bebel-Straße das Steinarbeiterdenkmal von 1984. Auf figürliche Darstellung wurde bewusst verzichtet, damit nicht der Bildhauer, sondern der Steinmetz dominiert. Der Leipziger Bildhauer Hans Förster entwarf die Steinsäule.
Nur wenige Schritte weiter begegnet man Resten des einstigen Aufzuges für die gebrochenen Steine des Kirchbruchs, zwei fünf Meter hohe Stahlbetonsäulen. 1988 entstand die Idee, diese für eine Darstellung der Werksteine in der damaligen DDR zu nutzen. Grafiker Gerd Nawrot und die Geologen von „Elbnaturstein Dresden“ berieten bei der Umsetzung. Das Umfeld wurde von der Gemeinde gestaltet. Hier kann man bis heute Granit, Syenit, Quarzporphyr, Metabasalt (früher Diabas) und Syenitgranit aus dem Osten Deutschlands vergleichen und bewundern.
Auszug aus: Geopark-Broschüre “Schätze aus Vulkanen” (2020): Rainer Habel.